
Reuchlins unsterbliches Herz
Mark Andres Oper WUNDERZAICHEN in Stuttgart
Eine eindrucksstarke Uraufführung eines zeitgenössischen Werks an der Staatsoper Stuttgart. Uraufführungen sind selten. Diese ist ein Glücksfall. Das Werk des französischen Komponisten Mark Andre beschreibt musikalisch vier Situationen auf dem Flughafen Ben Gurion. Der Humanist Johannes Reuchlin, der das erste deutsch-hebräische Wörterbuch verfasste und die Judenverfolgung (als glänzender Kirchenjurist) verdammte („niemand darf verurteilen, was er gar nicht kennt“), im 16. Jahrhundert gestorben, ist wiedergekehrt. In der fremden Umgebung von heute hat sein Herz noch Schwierigkeiten mit dem Schlagen. Die Welt der jetzigen Menschen und die spirituelle Welt, in der Reuchlin existiert, bewegen sich wie Parallelwelten. So etwas kann überzeugend nur in einem Opernwerk dargestellt werden.
Mark Andre hat Aufnahmen der Akustik der Grabeskirche zur Basis seiner Klänge gemacht, die in der Art Luigi Nonos und Helmut Lachenmanns „unerhörte Klangräume“ erschaffen. Insofern ist die Musik ein „Wunderzaichen“ (altdeutsche Schreibweise). Das gilt auch die Handlung. Die These des Stücks: „Ein einziger Ohrenzeuge ist mehr wert als 10 Augenzeugen, wenn es um Menschen geht, die der Wahrheit zugetan sind“.
Ein Auftragswerk der Staatsoper Stuttgart. Mit Unterstützung des Wissenschaftskollegs in Berlin, des Goethe-Instituts in Tel Aviv, des Elektronikstudios des Südwestfunks Stuttgart und der Siemens-Stiftung. Spannend und informativ.