
Romantiker ist, wer die Welt persönlich
nimmt
Ulrike Sprenger über "Lord Jim", den Jahrhundertroman von Joseph Conrad
Der rostige Dampfer Patna transportiert um 1900 für billiges Geld einige Hundertschaften muslimische Pilger, die sich auf der Reise nach Mekka befinden. In der plötzlichen Annahme dieser Seelenverkäufer werde sinken (tatsächlich ereignet sich ein Wassereinbruch im Bug und das letzte Schott ächzt unter dem Druck), verlassen Kapitän und Mannschaft das Schiff. Es ist Nacht. Die ahnungslosen Muslime werden ihrem Schicksal überlassen. Ein idealistischer Seeoffizier, in Joseph Conrads berühmten Roman "Lord Jim" genannt, wird zum Mitläufer. Sein ganzes Leben lang träumte dieser Romantiker von Bewährung in großen Taten. Jetzt sitzt er mit feigen Verrätern im Rettungsboot und blickt auf das Schiff zurück, das immer noch nicht sinkt. Lord Jim verliert vor einem Seefahrtsgericht sein Patent als Marineoffizier. Später gerät er in Holländisch-Indien in eine gefährliche Situation, in der er sein charakterliches Idol durch Opferung seines Lebens erfüllt.
Dies ist die äußere Handlung des Romans, der Joseph Conrad auf einen Schlag berühmt machte und eine neuartige, bis heute nicht übertroffene Form des NARRATIVEN REALISMUS entwickelte.
Die Romanistin Prof. Dr. Ulrike Sprenger, Universität Konstanz, kommentiert den Roman des polnisch-britischen Dichters. "Romantiker ist", sagt sie, "wer die Welt persönlich nimmt".