Die offene Stadt
Richard Sennett: Welche Stadt passt zu ihren Menschen?
Seit 40 Jahren untersucht der angelsächsische Soziologe Richard Sennett mit seiner Arbeitsgruppe die Städte, vor allem die Mega-Städte wie New York, Lagos, Shanghai, Mexico City, London, Sao Paolo u.a.. Er leitet das „Urban Age Project“ , das an der London School of Economics und an der New York University seinen Sitz hat.
Die erste Zivilisation in Mesopotamien um etwa 3.000 vor Christus beruht bereits auf dem Prinzip Stadt. Dass Menschen auf so engem Raum miteinander leben, ohne sich tot zu schlagen, erfordert im Verhältnis zu früheren Clans einen gesellschaftlichen Wandel. Er ist verbunden mit Schrift, Religion, Buchhaltung, Kooperation, Versorgung und Gesetzen. Alles dies bildet das „Prinzip Stadt“. In dieser Hinsicht sind Städte eine Toleranzleistung. Sie haben ihre Gestalt im Laufe der Jahrtausende mehrfach variiert und verändert. Bei den heutigen Agglomerationen und Mega-Städten, so die Forschungsergebnisse von Richard Sennett, ist aber nicht der persönliche Wunsch der Menschen vom Land in die Stadt der Hauptfaktor („Stadtluft macht frei“). Viel mehr ist es die Unmöglichkeit, auf dem Lande zu überleben der Grund für die zunehmende Verstädterung. Die Städter z.B. in Lagos in Nigeria oder in Shanghai sind zunehmend „Landvertriebene“. Die Soziologen wissen, dass in einigen Jahrzehnten 70% der Menschen auf der Erde in städtischen Agglomerationen leben werden.
Richard Sennett unterscheidet bei seinen Untersuchungen „ville“ (die Wohnstadt) von der „cité“ (der Stadt, die ein Gemeinwesen darstellt). Viele geplante oder von Investoren strukturierte Städte, sagt er, bilden, vom Leben der Menschen betrachtet her, Gefängnisse. Diesen verfehlten Konzepten stellen Richard Sennett und seine Mitarbeiter das Modell der OFFENEN STADT gegenüber, in der die Menschen selbst und nicht die Planer das Biotop der Stadt weiterentwickeln. Spannend und informativ.