
100 Jahre Russische Revolution (1917 - 2017)
Prof. Dr. Marin Aust: Tief unter der Lava
Die Bilder von der Machtergreifung Lenins im Jahre 1917, verbunden mit dem "Sturm auf den Winterpalast" in St. Petersburg, stammen alle aus Gemälden und Filmen aus den späten 20er Jahren. Wie eine Lava-Schicht liegen der spätere Terror Stalins und die ihm vorausgehende Propaganda auf den realen Ereignissen. Im Jahr 2017, also nach 100 Jahren, macht es Sinn, wie ein guter Archäologe gerade die Anfangszeiten der Russischen Revolution auszugraben.
Die zwei russischen Revolutionen von 1917, die im Februar und die im Oktober, haben ihre Wurzel in der Russischen Revolution von 1905. Sie sind ohne diesen Zusammenhang nicht zu verstehen. Der krasse Unterschiede zwischen der anfänglichen Vielfalt dieser revolutionären Bewegung zu dem späteren Erstarren in der nach Stalin benannten Planwirtschaft, wird gerade auf dem Hintergrund des frischen Elans von 1905 besonders deutlich. Max Weber in Heidelberg war 1905 von den Ereignissen in Russland (vor allem im Süden des Reiches) so beeindruckt, dass er anfing Russisch zu lernen. Seine berühmte "Zeitschrift für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik" war ursprünglich bestimmt, diese politisch-sozialen Vorgänge zu verstehen. Wladimir Lenin und Max Weber sind einander nie begegnet. Möglicherweise hätten sie sich in der ersten Stunde ihres Dialogs bereits verzankt. 100 Jahre später aber wäre es - in einem Jahr, in dem sich viele Medien mit dem 100-Jahres-Jubiläum befassen werden - interessant, sich ein Nachtgespräch zwischen den beiden Geistern über den tatsächlichen Erfahrungsgehalt und die Einzelheiten des revolutionären Prozesses vorzustellen.
Der Osteuropa-Historiker Prof. Dr. Martin Aust von der Universität Bonn berichtet