Welche Charaktere braucht der Ernstfall?
Michael Stürmer über die Eliten von 1914, die sämtlich versagten
In allen am Kriegsausbruch beteiligten Ländern, in Frankreich, Russland, Großbritannien, in Wien und im Deutschen Reich waren Eliten tonangebend. Keiner dieser Verantwortlichen war der Situation gewachsen. Der Juli 1914 wuchs buchstäblich allen über den Kopf.
Der Historiker Prof. Dr. Michael Stürmer, Chefkorrespondent der WELT, beschreibt eindrucksstark das Ineinandergreifen von Irrtum, Hochmut, Schwäche und Vorurteil beim Zustandekommen der Krise und bei der Unfähigkeit, sie 1914 diplomatisch zu beantworten. Noch auffälliger scheint ihm, dass es in den folgenden 4 Jahren keinem der verantwortlichen Politiker gelang, aus der Katastrophe rechtzeitig herauszufinden. Der Krieg musste sich erst selbst aufzehren, bis er (fast mit einem Zufallsergebnis) endete. Einer der Krisenfaktoren war der Unglaube an eine glückliche Lösung, eine depressive Haltung führender Politiker wie des Reichskanzlers Bethmann-Hollweg und des britischen Außenministers Edward Grey, die an sich mögliche Eingriffe in den Krisenverlauf verhinderte.
Oft, sagt Stürmer, führt ein gewisses Maß von Skepsis zum Realismus. Hier war sie die Voraussetzung für Nichstun im rechten Moment und Tätigwerden im falschen. Spannend und informativ.